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In der Saison 1975 zeigte sich immer deutlicher, dass meine Maico RS 125 ccm-Einzylinder-Rennmaschine mit rund 30 PS international nicht mehr konkurrenzfähig war. Gleichzeitig kündigte die italienische Firma Morbidelli Replikas ihrer 125-ccm-Zweizylinder-Werksmaschinen an, die über 40 PS leisten sollten. Das genaue Lieferdatum dieser Production Racer blieb jedoch unklar.
In dieser Situation erhielt ich Ende 1975 ein Angebot der italienischen Motorradfirma Malanca für die Weltmeisterschaftssaison 1976. Zu einem ersten Kennenlernen wurde ich nach Bologna in das Werk eingeladen. Da ich kein Italienisch sprach, bat ich den in Italien tätigen deutschen Ingenieur Peter Dürr, mich bei dem Besuch zu begleiten und meine Gespräche mit der Geschäftsführung und den Technikern zu übersetzen. Gemeinsam fuhren wir in das Malanca-Werk, wo mir die 125-ccm-Zweizylinder-Rennmaschine auf dem Prüfstand vorgeführt wurde. Nach positiven Gesprächen mit den Verantwortlichen äußerte Peter Dürr anschließend allerdings Zweifel an der Zukunftsfähigkeit des Unternehmens. Seiner Einschätzung nach waren in der Produktion der Straßenmodelle zu wenige Mitarbeiter beschäftigt, und er prognostizierte, dass die Firma so nicht überleben werde.
Daraufhin unterbreitete er mir ein alternatives Angebot: die Teilnahme an den ersten italienischen Frühjahrsrennen 1976 mit seiner eigenen DRS 125-ccm-Zweizylinder-Rennmaschine, die er in seiner Werkstatt in Calderino bei Bologna konstruiert und gebaut hatte. Das Fahrwerk war von Spezialisten in Bologna angefertigt worden. (Bei technischen Fragen arbeitete Dürr damals auch mit den Brüdern Walter und Francesco Villa zusammen.) Mit dieser Zweizylinder-DRS war Paolo Pileri bereits 1973 in der italienischen Meisterschaft an den Start gegangen. Der Name "DRS" bedeutet übrigens "Dürr Racing Spezial".
Im Frühjahr 1976 trat ich schließlich zweimal mit diesem Motorrad bei italienischen Meisterschaftsläufen an und erreichte jeweils den dritten Platz – nur geschlagen von Paolo Pileri auf einer Werks-Morbidelli und Eugenio Lazzarini. Am 5. April 1976 kaufte ich eine neu angefertigte DRS von Peter Dürr und holte die Maschine zusammen mit Hans Hinn in Calderino/Monte S. Pietro ab. Bei meinem Freund und Mechaniker Thomas Binanzer aus Zimmern, wurde die DRS nun für Renneinsätze vorbereitet.
Im selben Jahr fertigte Peter Dürr zudem für den italienischen Nachwuchsstar Paolo Tordi neue Zylinder (cilindro speciale) für dessen Yamaha TZ 350 an, sodass wir bei den ersten internationalen Rennen oft gemeinsam unterwegs waren. Anfang Mai in Hockenheim standen wir beide auf dem Podest. Nur wenige Tage später verunglückte Paolo Tordi jedoch beim GP in Mugello in der zweiten Runde des 350er Rennens tödlich – ein sehr tragischer Tag. Im Training war er noch vor Giacomo Agostini plaziert.
Meine Saison 1976 verlief wechselhaft: Neben einigen Erfolgen gab es viele technische Probleme. Da Peter Dürr inzwischen als Cheftechniker bei Fantic für die Entwicklung neuer Geländesportmaschinen tätig war, konnte ich Ersatzteile für die DRS nur an einigen Wochenenden in Bologna erhalten. Probleme mit den Hubzapfen der Kurbelwelle und dem Primärantrieb des Motors kosteten mich viele gute Platzierungen. Bei Starts in Schweden, Finnland, Assen und Spa musste ich mit technischen Defekten aufgeben. Dennoch gab es einige Höhepunkte: dritte Plätze in Misano, Modena, Schwanenstadt, Hockenheim und Raalte sowie gute Platzierungen beim Großen Preis von Jugoslawien und am Salzburgring.
Für die Saison 1977 fertigte Peter Dürr neue Zylinder für die DRS, außerdem wurde die Fontana-Trommelbremse durch Scheibenbremsen ersetzt. Beim Maipokal in Hockenheim, in Hořice und in Amstetten konnte ich mit der Spitze mithalten. Doch die Konkurrenz durch die neuen MBA-Zweizylinder-Rennmaschinen (Morbidelli-Replikas, von dem deutschen Techniker Jörg Möller in Pesaro hervorragend konstruiert) wurde immer stärker.
Im August 1977 verunglückte ich schwer beim Bergrennen in Kelheim mit einer MZ RE 250-ccm-Werksmaschine, die mir Helmut Kustermann (KUMA) zur Verfügung gestellt hatte. Im vierten Gang blockierte plötzlich der Motor, und ich zog mir bei dem Sturz multiple Knochenbrüche zu. Für den Transport mit dem Rettungshubschrauber in eine Klinik nach Tübingen musste ich damals erheblicheKosten selbst tragen. Aus finanziellen Gründen blieb mir nichts anderes übrig, als die DRS zu verkaufen und meine internationale Rennsportkarriere zu beenden.
Peter Dürr habe ich später noch mehrfach in Calderino besucht. Er konstruierte weiterhin Motoren und Zylinder für die 80er- und 125-ccm-Klasse, doch wurden seine Motorräder nur noch bei nationalen Rennen in Italien mit verschiedenen Fahrern eingesetzt. 2011 trafen wir uns beim 200 Miglia di Imola Revival, bei dem ich mit meiner Yamaha TZ 250E am Start war. Er besuchte mich in meiner Box, und wir verbrachten ein sehr schönes Wochenende miteinander. 2015 traf ich ihn zum letzten Mal in Calderino; ein Schlaganfall hatte ihn bereits schwer gezeichnet.
Am 23. März 2019 verstarb Peter Dürr im Alter von 79 Jahren in Bologna. Inzwischen habe ich Kontakt zu seiner Tochter Maria, die in den Bergen bei Bologna lebt. Sie plant, künftig in ihrem Dorf ein kleines DRS-Museum einzurichten.
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1975 - Peter Frohnmeyer erwarb in Calderino/Bologna die DRS 125-ccm-Zweizylinder-Rennmaschine von Peter Dürr.
1978 - Die Maschine wurde an Richard Piutti verkauft, der sie im Deutschen Juniorenpokal einsetzte.
1979 - Carsten Röhl aus Hamburg kaufte die DRS.
1981 - Carsten startete im Deutschen Juniorenpokal. Er hatte Kontakte zu Spezialisten und Firmen wie Stephan Eberhard, Peter Dürr, Manfred Ziegler, Werner Juchem, Hoeckle und Mahle. Von diesen bezog er Ersatzteile und kaufte bei Dürr einen Ersatzmotor und andere Teile. Einen seiner DRS Motoren brachte er zur Firma „PSR-Products“ von Peter Schief in Wahlstedt, wo neue Kurbelwellen angefertigt werden sollten.
Ab 1982 - Nach einem schweren Autounfall konnte Carsten Röhl nicht mehr Motorrad fahren und er wechselte in den Kartsport. In der folgenden Zeit wurde in seine Garage in Hamburg eingebrochen, wobei zahlreiche DRS-Teile (u.a. ein Motor) gestohlen wurden. Da Peter Schief keine Kontaktdaten von Carsten Röhl hatte, übergab er den DRS-Motor (ohne Kurbelwellen und Kolben) leihweise an Paul Rutten und Henk van Kessel. Der Motor wurde anschließend mehrere Jahre im privaten Museum von Paul Rutten ausgestellt.
2008 - Peter Schief erhielt den Motor von Paul Rutten zurück und brachte ihn zu den Bikers’ Classics nach Spa mit, wo er mir den Motor in einem Karton zeigte. Einen Kontakt zu Carsten Röhl konnte er jedoch weiterhin nicht herstellen.
2012 - Beim Hamburger Stadtparkrennen, bei dem ich mit einer Maico RS 125 am Start war, besuchte mich Carsten Röhl überraschend im Fahrerlager. Auch Peter Schief war als Mechaniker vor Ort. Carsten Röhl erzählte mir von den restlichen DRS-Teilen, die nach dem Einbruch in seiner Garage noch vorhanden waren. Im Oktober desselben Jahres verabredeten wir ein Treffen in Wahlstedt bei Peter Schief. Dort kaufte ich sämtliche noch vorhandene Teile von Carsten Röhl, sowie den zerlegten DRS-Motor. Peter Schief begann daraufhin in seiner Werkstatt (Maschinenbau PSR) mit dem Neuaufbau der DRS Rennmaschine. Das Fahrwerk wurde in den Originalzustand zurückversetzt und neu lackiert. Neue Kurbelwellen ließ Schief in Portugal anfertigen. Nach zwei Jahren wurden die Kurbelwellen geliefert, es stellte sich jedoch heraus, dass diese Kurbelwellen fehlerhaft gefertigt waren. Ex-Rennfahrer und Kurbelwellenspezialist Ludwig Fassbender überarbeitete sie so, dass sie nun verwendet werden konnten. Ein neuer Primärtrieb wurde bei einer Firma in Magdeburg hergestellt. Der Neuaufbau verzögerte sich allerdings über viele Jahre, da Peter Schief schwer erkrankte.
2024 - Bei den Hockenheim Classics bot mir Gerhard Fischer aus Heidelberg an, den Wiederaufbau der DRS Rennmaschine zu übernehmen. Im November holten wir gemeinsam alle Teile sowie den Motor aus Wahlstedt ab. Ich beglich bei Peter Schief alle noch offenen Auslagen.
2025 - Gerhard Fischer begann in seiner Werkstatt in Heidelberg mit dem Aufbau der DRS Rennmaschine. Im Februar 2025 wurde bei ihm leider eine schwere Erkrankung diagnostiziert. Nach längerer Zeit im Krankenhaus und einer anschließenden Reha, konnte Gerhard wieder an der DRS weiterarbeiten und das Motorrad im September 2025 fertigstellen.
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2024 im September im Fahrerlager in Hockenheim: Treffen mit Peter Frohnmeyer in einer Box, ich spreche ihn auf seinen Artikel über Peter Dürr an, auch dass ich mir gewünscht hätte, er wäre mehr auf das Rennmotorrad, die DRS 125, eingegangen. Zu meiner Verblüffung erwidert Peter, dass es die Maschine noch gibt. Meine spontane Reaktion: Mensch, das Ding muss doch wieder laufen.
Bei dieser Rennmaschine handelt es sich um einen 125er-Zweizylinder-Zweitakter in Tandembauweise. Aber hier sind die Zylinder nicht wie üblich stehend hintereinander, sondern liegend übereinander angeordnet. Die Kurbelwellen aus Kreidlerteilen laufen paralell, die Drehschieber überlappen sich und die Kupplung läuft trocken im Freien. Das 6-Gang-Ziehkeilgetriebe ist von Maico, ebenso der außenliegende Schaltautomat. Das Fahrwerk ist sehr schmal, ohne Rohrverbindung unter dem Motor. Die wassergekühlten Zylinder waren eigentlich für die Yamaha TA 125 gedacht gewesen, wurden dann aber mehrfach für die DRS modifiziert.
Ein paar Wochen später bin ich auf der Fahrt nach Kassel und von dort mit Peter Frohnmeyer zusammen nach Wahlstedt, zu Peter Schief. In den folgenden Stunden wird es mir etwas mulmig, die Teile der DRS sind dick eingestaubt, im Rahmen fehlen sogar die Lenkkopflagerschalen, viele Teile passen offensichtlich nicht oder fehlen ganz. Am nächsten Tag geht es mit einem Auto voller Teile wieder Richtung Heimat.
Und dann kommt es ganz dick: Ich muss mit der Diagnose Leukämie ins Krankenhaus und bin erstmal 4 Monate außer Gefecht. Danach wird die DRS für mich auch zur Therapie, eine Stunde in der Werkstatt oder vor dem PC zur Teilebeschaffung tun mir offensichtlich gut, das fordert mich in der richtigen Weise.
Viele Details müssen gelöst werden: Wie war die Kupplungsbetätigung gedacht, wie kann der außenliegende Maico Schaltautomat am Getriebegehäuse befestigt werden, Angüsse für die Montage der Zündung am Kurbelgehäuse fehlen, usw. usw. Die viel zu lange Straßengabel muss gekürzt werden, die mitgebrachten Federbeine sind defekt, die Hinterradbremse passt nicht zur Schwinge und die Bremsenteile für das Vorderrad sind unbrauchbar. Kontakte müssen geknüpft werden, Know How angezapft werden und viele Teile auf der Drehbank oder der Fräsmaschine anpasst bzw. angefertigt werden.
Nachdem dann Tank, Sitzbank und Schutzblech lackiert und montiert sind, sieht das Projekt schon ansprechend aus und wird vorzeigbar. Einiges Kopfzerbrechen bereitet noch die Verschlauchung des Kühlsystems und die Montage und Einstellung der Zündung. Und der Termin von Hockenheim 2025 rückt näher. Dort steht sie dann im September 2025 und kaum jemand kann mit DRS etwas anfangen. |